Es hat sich viel getan – Die neuesten Outreach-Entwicklungen

Seit wir diesen Blog ins Leben gerufen haben, ist viel Bewegung ins Feld gekommen. Wir freuen uns, dass Outreach im Kultur- und Bildungskontext nun immer öfter in Erscheinung tritt. An dieser Stelle geben wir einen Überblick über die neuesten Entwicklungen.

Wir betrachten Outreach über den Kontext von Museen hinaus und zeigen das Spektrum der Entwicklung im Kontext kultureller Bildung und Kulturvermittlung auf.

Uns interessiert Outreach besonders als strategisches Instrument der Organisationsentwicklung hin zu einer diverseren Besucherschaft.

Wie 2014 von Heisig/Scharf/Wunderlich hier definiert, gibt es verschiedene Sichtweisen auf Outreach. Es kann als Marketing-Instrument verstanden werden, als aufsuchende Kulturarbeit oder eine bestimmte Organisationskultur im Umgang mit neuen, bisher ausgeschlossenen Besuchergruppen (siehe Definitionsmatrix).

Im 2016 erschienen Sammelband „Teilhabeorientierte Kulturvermittlung“, herausgegeben von Prof. Dr. Birgit Mandel, beschreiben zwei Artikel unter dem Oberbegriff Outreach zum einen „Interaktive Klanginstallationen in öffentlichen Sphären als ästhetische Ermöglichungsräume für kulturelle Bildungsprozesse“ (Jens Schmidt: Einladende Interventionen zwischen Spielplatz und Konzertsaal; in: Mandel 2016, S. 197 bis 207) und zum anderen „Istanbul‘s Shopping Malls as spaces for cultural participation and education“ (Özlem Canyürek: Shopping Culture; in Mandel 2016, S. 209 bis 216).

Im ersten oben erwähnten Artikel analysiert Jens Schmidt zwei Musik-Projekte im (semi-)öffentlichen Stadtraum, die „ästhetische Ermöglichungsräume“ (S. 203) öffnen. Zum einen handelt es sich um das Projekt „Ohrentausch“: sechs interaktive Klanginstallationen auf öffentlichen Plätzen, die im Rahmen der Jahreskampagne der Musikland Niedersachsen gGmbh eingesetzt wurden. Zum anderen wird das Projekt „Lautmaler“ als Teil des Rahmenprogramms des Folk’n’Fusion-Festivals in Hildesheim beschrieben. Der Autor zieht das Fazit, dass es sich bei beiden Klanginstallationen um sozial inklusive Formate handelte, die ein sehr diverses Publikum angesprochen haben (S. 205). Im Beitrag „Shopping Culture“ wird Outreach primär als Marketing-Instrument für Shopping-Malls in einem in der Türkei immer stärker umkämpften Markt verstanden und dargestellt. Die in beiden Artikeln untersuchten Ansätze sind primär dem Verständnis von Outreach als Marketing-Instrument zuzurechnen.

Im Angloamerikanischen Raum wird Outreach über Marketingzwecke und aufsuchende Kulturarbeit hinaus häufig als Change-Management-Instrument zur Veränderung der Organisationskultur einer Kultureinrichtung verstanden. Dort ist Outreach in zahlreichen Museen und anderen Kultureinrichtungen etabliert. Es gibt Outreach-Manager, Outreach-Kuratoren und Outreach-Abteilungen. (Beispiele finden sich hier).

Zwei Ansätze aus Berlin zeigen, dass dieses Verständnis auch bei uns zunehmend in den Fokus rückt: Im Juli 2016 wurde von den Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SMB) die Stelle einer Kurator*in für Outreach ausgeschrieben. „Die Kulturstiftung des Bundes und die Staatlichen Museen zu Berlin starten gemeinsam die Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen. Diese umfasst die Einrichtung eines modellhaften Vermittlungslabors am Bode-Museum der SMB, das über vier Jahre mit Berliner Schulen zusammenarbeitet, sowie die bundesweite Förderung von 18 wissenschaftlichen Volontariaten im Bereich Vermittlung an Museen (…). Im Zusammenwirken beider Module soll sich modellhaft eine zukunftsfähige Vermittlungsarbeit in Museen abzeichnen.“ Die/der Kurator*in für Outreach soll aus kuratorischer Sicht Inhalte, Themen und Konzepte erarbeiten, die übergreifend in die kuratorische Arbeit der Sammlungen implementiert werden. In Form von innovativen Präsentationen und Vermittlungsformaten sollen somit bisher nicht erreichte Zielgruppen angesprochen werden.

Im Dezember 2016 war eine Stelle für eine/n Wissenschaftlichen Mitarbeiter*in mit Schwerpunkt Outreach in der Abteilung Bildung/Kommunikation der Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz ausgeschrieben. Aufgabe des Stelleninhabers wird die wissenschaftliche Entwicklung einer Gesamtkonzeption für die Bildungs- und Vermittlungsarbeit mit diversen Nutzergruppen (Outreach) für das Museum für Islamische Kunst in enger Zusammenarbeit mit der Leitung und den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen sowie dem Direktor und den Kurator*innen des Museums für Islamische Kunst.

Beide Ausschreibungen zeigen ein Verständnis von Outreach als Instrument zur Veränderung der Organisationskultur.

Im 2014 veröffentlichten Artikel „ Museen und Outreach“ verorteten Ivana Scharf und Dagmar Wunderlich Outreach im Spannungsfeld von Audience Development, Partizipation und Inklusion. Ein letztes aktuelles Beispiel sieht Outreach ebenfalls im Kontext dieses Spannungsfeldes und bringt den wichtigen aktuellen Begriff des Empowerment ins Spiel. In ihrem Beitrag „Transformation im Kulturbereich. Begriffe und Beispiele.“ verorten Patrik S. Föhl und Gernot Wolfram Outreach im Kontext von Empowerment-Prozessen: „Kulturelle Ermächtigung bedeutet, Menschen dazu zu befähigen, sich an gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen zu beteiligen (…). Konkret heißt das, vor allem Menschen, die bislang nicht im Fokus der Aufmerksamkeit von kulturellen Einrichtungen und Projekten standen, einzuladen, (…) bzw. diesen überhaupt erst einen Zugang zu kulturellen Einrichtungen im Sinne des Outreach-Gedanken zu ermöglichen.“ (S. 38)

Outreach als Marketing-Instrument, als aufsuchende Kulturarbeit und als Prozess zur Organisationsveränderung und -entwicklung: die hier beschriebenen aktuellen Beispiele zeigen die Bandbreite und das Potential von Outreach.

Von Julia Heisig (j.heisig@museum-outreach.de)